Traumaheilung, das innere Kind, Bewusstsein Anja Kollwitz
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Gefühlt zu werden, geht viel tiefer als Empathie und Mitgefühl...
Anja Kollwitz
5. Nov.
3 Min. Lesezeit
Gefühlt zu werden geht weit über Empathie oder Mitgefühl hinaus, bei welchen immer noch energetische Schutzschichten zwischen den eigentlich nackten Herzen bestehen. Gefühlt werden bedeutet, im Herzen des anderen landen zu können, weil das Gegenüber sich dafür öffnet, dich total zu fühlen. Es ist die Bereitschaft eines Menschens, sich von allem, was du fühlst, mit dir gemeinsam das Herz zerreißen zu lassen. Persönlich und menschlich, nicht im Kontext universeller Liebe! Durch diese ungeschützte Herzoffenheit für deine aktuelle Realität kannst du die Erfahrung machen, dass ein anderer Mensch keine Scheu davor hat, in aller Tiefe zu fühlen, was du fühlst, und das macht die Realität letztendlich für dich selber sicher – unabhängig davon, ob sie gerade schön oder schrecklich ist. Dadurch kannst du selber deine stetig wachsende Kapazität in dir entdecken, alles zu fühlen, was auftaucht, ohne irgendetwas zu verdrängen, dosieren, kontrollieren oder gar transzendieren zu müssen.
Die meisten Menschen sind überrascht, wie viel unbewusster Widerstand und Abwehr unterhalb des Wunsches nach Heilung, innerem Wachstum und spiritueller Tiefe in ihnen lebt. All das kann nun ans Tageslicht kommen: Ob du nun Gott und die Welt hasst, dich für alle möglichen Ungerechtigkeiten rächen willst oder Angst hast, wahnsinnig zu werden. Vielleicht kommst du auch mit Feindseligkeit oder tiefer Langeweile oder einem dicken, fetten „Nein!“ im Herzen herein. Oder mit dem festen Entschluss, nie wieder irgendetwas Essentielles von dir zu zeigen.
Wenn deine Abwehrstrategien eine Weile die Erfahrung machen, dass sich jemand klar, ungeschminkt und persönlich auf sie bezieht, indem er sich emotional-energetisch mit ihnen verbindet, ihnen in der inneren Haltung ähnlich wird, sie Herz-basiert (nicht auf der Verhaltensebene!) spiegelt, mit ihnen zu ihren eigenen Bedingungen und Regeln und innerhalb ihrer eigenen Grenzen in Beziehung geht, ohne dass du irgendetwas tarnen, maskieren, schönreden, vertuschen, mit Höflichkeit kaschieren oder durch Transzendenz auf Abstand halten musst, kommt gefühltes Bewusstsein und Bewegung in all deine bisherigen Linsen-Verzerrungen und Projektionen auf die Realität. Die Abwehr kann sich in jenen warmen, von Liebe getragenen Herzraum hinein entfalten und entspannen. Sie kann die Erfahrung machen, dass Widerstand sehr wohl beziehungsfähig ist, wenn man sich nur wirklich auf ihn einlässt. Und das Vertrauen erlangen, dass dann, wenn der Mensch herzverbunden in Beziehung bleibt, wenn du dich mit deinen „unangenehmen Seiten“ zeigst, ihm auch die tieferen, verwundeten oder rohen, Emotionen, die von jenen Widerstandsseiten ja geschützt werden, „zuzumuten“ sind.
Pure, nackte Emotionen wie Schmerz, Verzweiflung, Panik, Wut, Hoffnungslosigkeit, Ohnmacht oder Scham tragen einen gemeinsamen Hunger in sich: nämlich die Erfahrung zu machen, in eine erwachsene bewusste Person emotional hinein- kollabieren zu können, ohne selber Verantwortung und Kontrolle in diesem Moment halten zu müssen. Sich also vollständig in das Herz und das Energiefeld der Bezugsperson fallen lassen zu können und zu merken, dass sie gehalten sind. Dies kann nur dann wirklich tief zustande kommen, wenn man absolut nichts vom anderen braucht; wenn er also selber emotional so tief gesättigt ist, dass der andere sich in diesen Zustand der Fülle hinein entspannen kann.
Obwohl sich viele Menschen (heimlich) danach sehnen, so etwas zu erfahren, macht es fast ebenso vielen Menschen Angst – vor allem vor (emotionaler) Abhängigkeit. Und das ist genau die paradoxe Krux: Denn exakt dadurch, dass dein Herz ausreichend genährt (also gefühlt) wurde und du wirklich „nackt“ und ungeschützt in einen Menschen der dich wirklich sieht und meint hineinkollabiert bist, heilt deine Abhängigkeit anderen Menschen gegenüber. Exakt dadurch wirst du innerlich immer mehr zu deiner ganz eigenen inneren Heimat. In unserer Kindheit ist diese Abhängigkeit etwas ganz Natürliches. Doch dadurch, dass wir als Kinder nicht vollständig gesehen, gefühlt, beantwortet und gehalten wurden, konnte diese gesunde Abhängigkeit nicht zum Abschluss kommen und wir bringen sie mit ins Erwachsenenalter. Es ist von daher sehr gut nachvollziehbar, dass so viele Menschen bei Gott oder Engeln oder im Nichts der NonDualität nach Liebe, bedingungsloser Annahme oder Erlösung suchen.
Was aber, wenn es möglich wäre, diesen Herzenshunger zum Abschluss zu bringen? Sämtliche emotionalen Bedürfnisse so tief zu nähren und zu heilen, dass du endlich wirklich erwachsen und frei sein kannst? „Frei“ nicht in einem Sinne von pseudo-stark und unabhängig, sondern so frei, dass du es wagen kannst, dich wirklich tief einzulassen, ohne dich dabei jemals selbst zu verlieren! Dich vielmehr selbst auf eine Weise, die emotional ewiglich und unzerstörbar ist, zu finden. Deine einzige wirklich permanente „Heimat“ des Seins, in deiner eigenen ständigen Veränderlichkeit ewiglich zu sein, ganz natürlich in dir zu erfahren. Verletzlich und nackt und unzerstörbar.
Auf diesem köstlichen Boden persönlichen Sich-wertvoll-Empfindens kann dann wirklich emotional reife, selbst-basierte Spiritualität vertieft werden. So ein tief genährtes Selbst steht Spiritualität niemals im Weg; es bildet vielmehr das Fundament dafür.
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